Auf die innere Stimme hören

Als ich auf den Parkplatz des Kölner Klinikums fahre, habe ich ein komisches Gefühl im Bauch. Dieser Vortrag wird anders. Das weiß ich. Es geht heute nicht um Business. Und ich werde auch nicht für meinen Auftritt bezahlt. Heute geht es um das Leben — und wie ich damals darum gekämpft habe, es behalten zu dürfen.

Die wichtigsten Dinge im Leben sind eben nicht selbstverständlich. Das merken wir jedoch erst, wenn wir sie verloren haben. Die Liebe. Echte Freunde. Und erst recht: unsere Gesundheit.


Loyalität

In der Geschäftswelt begegnen mir häufig Menschen, die alles geben, damit der Laden läuft. Die absolut loyal ihrem Arbeitgeber gegenüber sind. Oft sogar loyaler als gegenüber ihrer Familie. Und vor allem loyaler als sich selbst gegenüber. Die zahlreichen Überstunden, Nächte in Hotels, stressigen Meetings — und die wenige Zeit für Familienabende, Sport oder einfach mal nichts zu tun.

Doch wenn ich als starker Anführer Verantwortung für ein Team, ein ganzes Unternehmen und das langfristige Überleben von Letzterem übernehmen will — dann kann und darf ich mich selber dabei nicht aus den Augen verlieren. Wie sieht es denn bei Ihnen aus? Was oder wem schenken Sie absolute Loyalität? Wer steht auf Platz 1? Wie sieht die Rangfolge danach aus?


Der einzige Wegweiser

Fragen wie diese zu beantworten, ist gar nicht so einfach. Sie können die Antwort nämlich nicht da draußen finden. Sie müssen die Reise nach innen antreten. Auf Ihre innere Stimme hören. Sie ist der einzige Wegweiser zu Ihrer wahren Erfüllung.

Die Diagnose Krebs liegt während ich das hier schreibe schon über 15 Jahre zurück. Ich habe den Krebs besiegt und bin seitdem gesund. Am Krebs bin ich nicht zerbrochen. Er hat mich stärker gemacht. Vor allem dadurch, dass ich gelernt habe, auf meine innere Stimme zu hören.

Meine Loyalität gilt nun mir selber — und meiner Familie. Meine Gesundheit steht sozusagen auf Platz 0. Und meine Familie ist meine unangefochtene Nummer 1. Gemeinsame, unvergessliche Momente zu erleben, sind für mich das Wichtigste. So wie die Begegnung, die meine Frau und ich mit Löwen hatten.

Gleichzeitig ist mein Beruf meine zweite große Liebe. Und auch diese Liebe ist stark und verlockend. Mein Beruf ist kein Job für mich, sondern Berufung. Und so rutsche ich dann doch immer mal wieder in intensive Phasen, in denen mich meine Berufung vereinnahmt. Die größte Herausforderung ist eine wahre Kunst: nämlich die wichtigen Loyalitäten und Prioritäten im Leben in einen gesunden Rhythmus zu bringen.

Zu diesem Thema habe ich einen Artikel geschrieben, der im Magazin LebensWert des gleichnamigen Vereins an der Kölner Uni-Klinik erschienen ist. Jener Abend im Klinikum wurde auch durch diesen Verein organisiert. Ich las aus meinem Buch und sprach mit den Gästen offen über meine damalige Krebserkrankung — wie ich sie besiegt habe — und was ich daraus für mein Leben gelernt habe.


Der Sinn des Lebens

Wenn man keinen Sinn im Leben hat, macht man sich einen fremden Sinn zu eigen. Bei mir war es die Jagd nach dem Geld. Doch der Erfolg hatte einen hohen Preis. Meine Frau fror vor Einsamkeit, denn ich verbrachte mehr Nächte in Hotels als zuhause. Die jungen Jahre meines Sohnes habe ich mehr oder weniger verpasst. Zwar sagte ich damals: Meine Familie ist mir das Wichtigste. Doch meine Handlungen zeigten etwas anderes. Und das alles nur, um Karriere zu machen.

Die Ironie dabei ist: Mit meinem Job war ich alles andere als glücklich, denn mein Umfeld in der Finanzbranche hatte – sagen wir mal: andere Wertvorstellungen als ich. Und ich fühlte mich wie eine funktionierende Hülle. Nach außen zwar stark, aber innerlich gefühlsleer und orientierungslos.

Was raten Sie einem Freund, wenn er in so einer blöden Situation steckt? Ändere was! Aber so einfach ist das nicht. Menschen können ganz schön viel „Leid“ aushalten, nur um die Ungewissheit zu vermeiden, die mit jeder Veränderung einhergeht.


Zufallsbefund

Eines Tages suchte ich dann einen Internisten auf. Meine Frau hatte mich gebeten, eine kleine Entzündung unter meiner Achsel prüfen zu lassen. Ich dachte noch: „Kommt von alleine, geht wieder von alleine“, als der Arzt sagte: „Sie haben sich wohl beim Rasieren geschnitten. Haarwurzelentzündung.“ Eigentlich hätte ich danach aufstehen und die Praxis verlassen können. Doch der Arzt machte etwas, was aus medizinischer Sicht völlig unnötig war – mir aber rückblickend an diesem Tag das Leben rettete.

Er untersuchte mit dem Ultraschallgerät meine Schilddrüse und entdeckte einen Tumor. Die weiteren Untersuchungen bestätigten den Verdacht: Schilddrüsenkrebs. Dann ging alles ganz schnell: OP, Radio-Iod-Therapie, Kontrolle des Tumormarkers. Immer noch erhöht! Die Ärzte wollten mich wieder bestrahlen.

Doch ich entschied mich dagegen und holte mir eine Zweitmeinung. Herauskam statt Radio-Iod die Empfehlung einer zweiten OP. Dann die nächste Horrormeldung: Ich könnte meine Stimme verlieren, da der Stimmbandnerv auf Grund des vernarbten Gewebes nur noch schwer zu finden sei.


Keine Zeit mehr verschwenden

Aber was sollte ich machen? Ausweichen oder weglaufen hätte nichts gebracht. Und so begab ich mich mit einer Mischung aus Angst und Hoffnung in die Hände der Ärzte.

Es ging zum Glück alles gut. Als ich dann in meinem Zimmer lag, passierte etwas Merkwürdiges. Ich hörte eine innere Stimme. Sie fragte mich: „Willst Du überhaupt leben?“ Als ich das mit einem Ja beantwortete, fragte sie weiter: „Warum verschwendest Du dann Deine Lebenszeit?“ Darauf hatte ich zunächst keine Antwort.

Als ich die Klinik verließ, war jedoch klar: Meine Lebenszeit ist endlich. Und deswegen wollte ich sie nicht mehr verschwenden. Keine falschen Leute, Projekte und Themen mehr. Ich hatte mir geschworen, nun auf meine innere Stimme zu hören. Das ist nicht immer leicht, da man dann hier und da aneckt.

Wir müssen den Mund aufmachen und Haltung zeigen, wenn wir selbstbestimmt leben wollen. Deswegen braucht Mut eine Stimme. Insofern bin ich dem Krebs dankbar dafür, dass er mich gezwungen hat, Verantwortung für mein Leben zu übernehmen.


Eines noch...
Das Stärkste,
was Sie tun können, ist:

Gegenwart machen!
Für und mit den Menschen.



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