Der Krebs zeigte mir, was ich wirklich machen will

Dieser Beitrag ist ursprünglich bei XING Klartext veröffentlicht worden.

Ihre Lebenszeit ist begrenzt – ja, das haben Sie schon tausendmal gehört. Und ja, das klingt kitschig und abgedroschen. Aber: Schauen Sie mal auf die vergangene Woche, den vergangenen Monat Ihres Lebens. Mit welchen Menschen haben Sie Zeit verbracht? In welchen Meetings saßen Sie? Mit welchen Themen haben Sie sich beschäftigt, und wofür haben Sie sich privat engagiert?

Waren das alles sinnvolle Themen und Menschen, mit denen Sie gern Zeit verbringen? Wenn es Ihnen geht wie mir vor meiner Erkrankung, dann antworten Sie vermutlich: Nein, da waren ein paar Tätigkeiten und Menschen dabei, die ich am liebsten aus meinem Kalender gestrichen hätte.

Die Lektion eines Besuchers

Ich habe zwei Anläufe gebraucht, um endlich ehrlich zu mir selbst zu sein. Nach meiner ersten Tumordiagnose mit anschließender Operation rutschte ich wie automatisch zurück in meinen Managementposten in der Finanzbranche – obwohl er mich schon seit zwei Jahren beruflich unzufrieden machte. Aber die Lektion des Lebens ließ nicht locker, es folgte eine weitere OP. Noch einmal die Sorgen, noch einmal die Angst. Doch diesmal kam eine neue Angst hinzu: Die Operation in der Schilddrüsenloge sorgte nun für die Gefahr, dass ich meine Stimme verlieren könnte. Dieses Mal brach mich die Krankheit – zum Glück, muss ich heute sagen. Denn während ich darüber nachdachte, wie es wäre, meine Stimme zu verlieren, begann ich endlich, auf meine innere Stimme zu hören.

Ich erkannte, dass meine Krankheit mir zwei Optionen zur Wahl gab: Ich konnte mich fortan als Opfer fühlen und seelisch an meinem Schicksalsschlag zugrunde gehen. Oder ich konnte in der Krankheit einen Besucher sehen, der in meinen Körper gekommen war, um mir eine Lektion zu erteilen – ein unbequemer Besucher, aber ein wohlgesonnener. Also hörte ich auf meine innere Stimme und lernte meine Lektion.

Klarheit ohne Wenn und Aber

Beruflich bedeutete das für mich einen vollkommenen Bruch. Raus aus dem Job, in dem ich mich verbog. Raus aus dem Umfeld, in dem meine Kollegen völlig andere Werte lebten als ich. Selbstverständlich meldeten sich da Bedenken: „Wie verdiene ich morgen mein Geld? Womit verbringe ich nun meine Zeit?“ Doch diese Einwände waren letztlich nichts als Ängste – und dafür ist mir meine Lebenszeit zu schade.

Beruflich stellte ich mich völlig neu auf. Gründete eine Firma und definiere nun allein, nach welchen Maßstäben ich arbeite. Seither zählt in erster Linie nicht das Geld, das ich als Businesscoach verdiene, sondern das Projekt und das Unternehmen selbst. Ich investiere meine Lebenszeit nur noch in Aufträge, bei denen ich das Gefühl habe: Hier kann ich ganz sicher einen Nutzen, einen Mehrwert stiften – egal ob es sich bei dem Klienten um ein Start-up, einen großen Konzern oder einen Manager handelt. Das tue ich dann auch ohne Wenn und Aber, spreche heikle Botschaften aus und sage Unternehmern sehr direkt, wenn in ihrem Betrieb etwas schiefläuft. Das Argument „gute Bezahlung“ zählt nicht mehr, wenn es bedeutet, sich dafür im Job zu verbiegen und Konzernchefs Honig um den Mund zu schmieren.

Das, was wir tun, sollte mit unseren Werten übereinstimmen

Ich glaube, diese Klarheit, für das zu stehen, was man tut, ist essenziell – nicht nur im Umgang mit anderen, sondern vor allem auch mit uns selbst. Denn ja, unsere Lebenszeit ist begrenzt. Also sollte das, was wir in ihr tun, doch zumindest einhergehen mit unseren Werten und unserer inneren Haltung.

Dazu gehört auch, sich hin und wieder abzugrenzen. Zu selektieren, wo und in wen Sie Ihre Lebenszeit investieren oder lieber nicht. Den Mund aufzumachen und unbequem zu sein. Denn das ist allemal besser, als am Ende dazustehen und zu bedauern, dass man nicht den Mut hatte, seinen eigenes Leben zu leben.


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