Der Sinn des Lebens: Reich werden

Das moderne Leben bietet uns ungeahnte Möglichkeiten. Selbstredend, dass der Erfolg immer schnell kommen muss. Neue Geschäftsmodelle beweisen sich innerhalb von 100 Tagen. Der richtige Lebenspartner für eine erfüllte Beziehung ist nur einen Wisch entfernt. Im Internet mal eben ein paar Tausend Euro nebenher verdienen. Und überhaupt ist es für jeden machbar, in ein paar Jahren zum Millionär zu werden. Man muss nur einem der Gurus ausreichend Geld in den Rachen werfen und dann verrät er die Abkürzung zum finanziellen Glück. Ich bin überrascht, wie viele Menschen sich wie dumme Schafe verhalten und auf all den Mist reinfallen.

Nach meinem Abitur wollte ich unbedingt an der EBS Universität studieren. Als älteste private Wirtschaftsuniversität in Deutschland stellte sie mich jedoch vor ein Problem: mir fehlten rund 50.000 Euro, um das Studium zu bezahlen. Da meine Eltern keine Bonzen waren, lernte ich die erste wichtige Lebenslektion: Probleme sind dazu da, um gelöst zu werden.

Rückblickend bin ich überrascht, dass es damals wirklich eine Bank war, die mir ein Darlehen angeboten hat. Und zwar ohne Sicherheiten. Und mit einem erfreulich kurzen Kreditvertrag. Er hatte nämlich nur 1,5 Seiten.

Es näherten sich die ersten Semesterferien und ich war auf der Suche nach einem bezahlten Praktikum. Ich brauchte nämlich Geld, um mein Leben zu finanzieren. Dieses Gefühl war irgendwie komisch. Geld motivierte mich, in den Semesterferien mit profilneurotischen Beratern von morgens früh bis abends spät im Großraumbüro beim Kunden zu hocken – anstatt das studentische Leben mit Musik, Party und Lebenslust zu genießen.

So schwor ich mir: Geld darf nie wieder ein Sorgenthema sein!

Der Sinn des Lebens

Wenn ich heute mit Unternehmern in meinen Coachings darüber spreche, was sie aus Ihrem Leben machen wollen, werden das meistens intensive Diskussionen. Jeder hängt voll im Tagesgeschäft drin, das einem Laufband gleicht, bei dem die Geschwindigkeit immer höher gedreht wird. Fürs Träumen oder das Nachdenken über den Lebenssinn bleibt da kaum Zeit. Und in unseren Gesprächen merken sie: wenn wir uns dann die Zeit zum Nachdenken nehmen, fällt es uns komischerweise verdammt schwer, zu definieren, was wir eigentlich aus unserem Leben machen wollen.

So ging es mir als Student auch. Und da habe ich es mir – wie viele andere Menschen auch – einfach leicht gemacht. Wenn Du keinen Lebenssinn hast, dann ist der Sinn des Lebens: reich werden.

Gefährlicher Irrglaube

Nach meinem Studium begann ich also meine Karriere dort, wo es sich rund um die Uhr um Geld dreht: in der Finanzbranche. Als Verantwortlicher für den Vertrieb eines Private Equity Fonds jagte ich förmlich Geld. Und es kam dann auch. In meinem Fall hatte der Erfolg jedoch seinen Preis.

Ich sagte damals zwar, meine Familie ist mir das Wichtigste. Mein Verhalten zeigte aber etwas anderes. Denn ich verbrachte mehr Nächte in Hotelbetten als Zuhause. Und so hatte ich eine Ehefrau, die vor Einsamkeit fror. Die „Gaga“-Jahre mit meinem Sohn hatte ich mehr oder weniger verpasst. Und dann war ich auch noch unzufrieden mit meinem Job, da meine Partner andere Vorstellungen über die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens hatten als ich. So verlor ich den Glauben an die Idee. Keine guten Voraussetzungen, um beruflich erfüllt zu sein.

Trotz all dieser Unzufriedenheit lief ich weiter dem Geld hinterher. Geld ist wie eine Droge. Es ist eben nie genug.

Ich brauchte damals einen Tritt in den Hintern. Den bekam ich mit der Diagnose Schilddrüsen-Krebs. Keine leichte Kost. Aber eine wirksame. Den Krebs habe ich besiegt. Und meinem Leben dann eine neue Richtung gegeben.

Der reichste Mann der Welt

Kürzlich habe ich mit meiner Frau den Film „Alles Geld der Welt“ gesehen. Er handelt von Jean Paul Getty, der seinerzeit der reichste Mensch der Welt war. Sein Enkel wurde in Rom entführt. Doch Getty weigerte sich, das Lösegeld zu zahlen, da er die Entführung für eine Finte hielt. Als seinem Enkel ein Ohr abgeschnitten wurde, zahlte er schließlich doch das Lösegeld.

Die Entführer forderten 3 Mio. Dollar. Medien berichteten, dass Getty jedoch nur 2,2 Mio. Dollar zahlen wollte. Der Grund ist erschütternd: die 2,2 Mio. waren der Höchstbetrag, den er steuerlich geltend machen konnte. Die restlichen 800.000 Dollar musste sich sein Sohn (Vater vom entführten Enkel) mit 4% Zinsen von Getty leihen.

Der Film wirft ein sehr mitleidserregendes Licht auf den reichen Getty. Er schwimmt zwar im Geld. Aber mehr als sein Geld und sein Besitz zeichnet ihn auch nicht aus. Während ich den Film sah, schwankten meine Gefühle zwischen Mitleid und Verachtung. Geld als einziger Lebenssinn ist für mich auf jeden Fall wertlos.

Schafherden und Brüllaffen

Keine Frage: in einer kapitalistischen Welt ohne Geld zu leben, ist Mist. So ist es verständlich, dass für viele Menschen Reichtum und finanzielle Freiheit wichtige Lebensziele sind. Mit viel Geld macht das Leben mehr Spaß.

Doch da viele Menschen diesen Zustand noch nicht erreicht haben, ist der Boden wie gemacht für die menschlichen Brüllaffen. Sie suggerieren, dass finanzieller Wohlstand ein Geburtsrecht für jedermann sei. Du schaffst es, wenn Du nur willst! Und der Weg ist so einfach und er kann so schnell gegangen werden, wenn Du nur weißt, was die notwendigen Schritte sind. Diese sind natürlich „geheim“. Aber sie werden auf teuren Seminaren und Coachings verraten.

Und so pilgern die Menschen wie Schafe zu den Brüllaffen und wundern sich, dass am Ende zwar die Brüllaffen die fette Beute gemacht haben – nur sie selber hängen noch in den Herausforderungen des Alltags gefangen. Denn die wahre Kunst ist nicht, den Weg zu kennen, sondern den Weg auch tatsächlich zu meistern. Wissen reicht eben nicht. Sie müssen es auch tun. Und dazu gehören im Wesentlich einfach nur Konsequenz und Disziplin.

Der wahre Reichtum für jeden von uns

Im Vaterunser heißt es: „Unser tägliches Brot gib uns heute“. Wir beten nicht: „Gib mir über Nacht so viel Brot, dass ich nie wieder welches besorgen muss“. Merkwürdig also, dass viele Menschen trotzdem dem unerschöpflichen (finanziellen) Brot hinterherlaufen und dafür Dinge aus den Augen verlieren, die sie vielleicht für immer verlieren.

In meinem Buch „Mut braucht eine Stimme“ zitiere ich Bronnie Ware, eine australische Palliativmedizinerin. Sie hat mit vielen Menschen zu tun, die an ihrem Lebensende angekommen sind. Sie fragte sie: Was bedauerst Du am meisten?

Sie ahnen es wahrscheinlich schon: Geld gehört nicht zu den Antworten. Stattdessen bedauern die Menschen dies:

  • Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mein eigenes Leben zu leben.

  • Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet.

  • Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, meine Gefühle auszudrücken.

  • Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit mit Freunden und Familie verbracht.

  • Ich wünschte, ich hätte mir erlaubt, glücklicher zu sein.

All diese Dinge haben eines gemeinsam: Sie können sie für Geld nicht kaufen.

Ich habe damals, nachdem ich den Krebs besiegt habe, meinem Leben eine neue Richtung gegeben. Also mit dem ersten Punkt von Bronnie Ware’s Liste angefangen: den Mut aufgebracht, mein eigenes Leben zu leben.

So bin ich aus der Finanzbranche ausgestiegen und habe beruflich nochmal völlig neu angefangen. Das war mit starken, finanziellen Einbußen verbunden. Aber das ist nichts, was einen umbringt. Im Gegenteil. Sie wissen ja: Probleme sind dazu da, dass wir sie lösen. Und daran wachsen wir. Das nennt man dann Erfahrung.

Dann habe ich um meine Ehe gekämpft und meine Frau um eine zweite Chance gebeten. Sie hat sie mir zum Glück gegeben.

Heute strebe ich nicht nach finanzieller Freiheit, sondern nach selbstbestimmter Zeit. Die Ironie ist, dass ich mittlerweile mehr verdiene als damals, als ich noch verbissen hinter der Kohle herlief.

Ich investiere meine Zeit in die gemeinsam geteilten Momente mit meiner Familie. Das kann ein Urlaub sein. Es können aber auch einfach nur gute Gespräche, ein Ausflug mit dem Sohn oder ein Spaziergang mit meiner Frau sein.

Das Schöne ist, dass diese Art von Wohlstand wirklich jeder von uns erreichen kann. Und dieser Wohlstand ist es auch, der die Welt zu einem guten Ort macht. Liebe und Mitgefühl sind die Basis für unseren Weltfrieden. Das Weihnachtsfest ist dazu eine schöne Gelegenheit, diese Art von Reichtum mit unseren Liebsten zu genießen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein reiches Weihnachtsfest voller Liebe und Mitgefühl. Und für das kommende Jahr eine heitere Gelassenheit und entspannten sportlichen Ehrgeiz, damit Ihr tägliches (finanzielles) Brot Ihren emotionalen Frieden versüßt.

 

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