Aufgeben oder durchhalten - die Angst darf nicht entscheiden

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Ich habe einen Freund, der sich monatelang über die Strukturen in einem Konzern, in dem er als Führungskraft arbeitete, beschwert hat. Irgendwann platzte ihm der Kragen und er hat sich selbstständig gemacht. Großartig! Den Mut muss man mit Ende 40 erstmal haben.

Sechs Monate später. Ich erhielt eine SMS von ihm: „Habe Job als Geschäftsführer bei Firma XY angenommen“. Er hat sich also wieder in einem Konzern anstellen lassen. Meine Antwort an ihn: „Du hattest den Mut, dich selbstständig zu machen. Aber den Mumm, durchzuhalten, wenn es hart auf hart kommt, hattest du nicht.“ Er: „Hört sich doof an, ist aber leider so.“

Hand aufs Herz: Wahrscheinlich geht es Ihnen so wie mir, dass auch Sie ins Zweifeln kommen, wenn es mal schwierig und zäh wird. Obwohl Sie sich etwas fest vorgenommen haben, spielen Sie mit dem Gedanken, aufzugeben. Und wahrscheinlich haben Sie auch schon ein Vorhaben abgebrochen, als es nicht so schnell, nicht so gut lief wie geplant. Doch es gibt Situationen, in denen Aufgeben leider keine Lösung ist, sondern nur das Problem verschärft …

 

Der Todesstreifen der Veränderung

Denken Sie mal zurück, als Sie das letzte Mal etwas angefangen und dann doch abgebrochen haben:

  • das Tüfteln an einer Produktinnovation,
  • ein Veränderungsprojekt im Unternehmen umsetzen,
  • das Budget in der Firma endlich mal erreichen,
  • Englisch lernen,
  • Sport machen,
  • die Beziehung mit Ihrem letzten Lebenspartner, von dem Sie sich trennten, als es nicht „rund“ lief
  • oder der Neujahrsvorsatz endlich mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen ...

Es begann mit Euphorie und versickerte irgendwann still und heimlich im Tagestrubel. Und mit Sicherheit hatten Sie zahlreiche Gründe, Ihr einst so zielstrebiges Vorhaben abzubrechen.

So wie mein Freund, der seine Selbstständigkeit beendete, weil es zu hart, zu anstrengend war, alles zu langsam vorwärts ging und der Erfolg zu lange auf sich warten ließ – während die Miete und die Unterhaltszahlungen für seine Kinder sich immer enger um seinen Hals wickelten. Schließlich muss das Essen irgendwie auf den Tisch kommen. Ich könnte sogar fast verstehen, wenn Sie Verständnis für meinen Freund hätten – aber eben nur fast.

Zu Erfolg gehören zwei Dinge. Erstens, entscheiden. Zweitens, umsetzen. Zwar hadern Menschen immer mal wieder dabei, Entscheidungen zu treffen, aber den meisten fällt dieser erste Schritt doch vergleichsweise leicht. In einem Anflug von Motivation und Euphorie steht der Plan: Mehr Sport machen. Neues Veränderungsprojekt auf den Weg bringen. Englisch lernen.

Doch wenn Sie eine Entscheidung getroffen haben und sich dann auf den Weg der Umsetzung machen, lauert bereits der wahre Feind jeder Veränderung: das Tal der Tränen. Und genau hier ist mein Freund mit seiner Selbständigkeit kläglich verkümmert.

Aus meiner Erfahrung ist der alles entscheidende Faktor, ob Sie eine Entscheidung erfolgreich umgesetzt bekommen oder nicht, die Frage, ob Sie in der Lage sind, sich durch dieses Tal der Tränen durchzukämpfen. Ob Sie Ihr Ding konsequent durchziehen. Komme was wolle. Und diesen Mumm haben die meisten leider nicht. Sie bleiben im Tal der Tränen stecken und geben auf.

 

Mit angezogener Handbremse

Diesem Tal der Tränen ist jeder schon im Leben begegnet. Wenn ich Veränderungsprojekte in Unternehmen begleite, spreche ich viel mit den Mitarbeitern und Führungskräften. Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, dass allein schon die Sorge davor, dass das Tal der Tränen kommt, die Menschen blockiert.

Es ist dieser Nebel, der auf dem Weg liegt, da keiner so genau weiß, was auf die Menschen zukommt. So entsteht Angst: die Angst vor den Konsequenzen der Veränderung. Sie fürchten sich vor den Problemen, die im Tal der Tränen kommen könnten, noch bevor sie überhaupt dort angekommen sind.

Sie haben Angst vor den Szenarien, die in der Zukunft passieren oder eben nicht passieren, Sie fürchten sich davor, nichts Erfüllendes am Ende Ihrer Reise zu finden, Sie haben Angst, beruflich nicht Fuß zu fassen. Kurzum: Sie haben Angst, der Zukunft nicht gewachsen zu sein. Und es scheint manchmal einfach leichter, umzukehren – den notwendigen Veränderungen auszuweichen und einfach im gewohnten Status Quo zu verharren. Aber das ist keine Option!

 

Mut bedeutet, dass Dir etwas anderes wichtiger ist, als Deine Angst

Aus meiner Erfahrung sind Frauen ehrlich: sie sagen, dass sie Angst haben. Männer umschreiben das: sie haben Respekt vor der Situation. Wie auch immer – ich kann Ihre Angst bzw. Ihren Respekt nachvollziehen, denn es ging mir genauso. Und zwar schon oft im Leben.

Am intensivsten habe ich diese Angst gespürt, als ich damals aus der Private Equity Firma ausgestiegen bin. Da war auf einmal kein Plan, kein gefüllter Kalender mehr, kein Horizont, wo die Reise hingehen soll. Und mich hat die Angst gepackt, die Angst vor der Zukunft. Was werde ich beruflich machen? Wie finde ich neue Kunden? Wie soll es weitergehen?

Die ersten Wochen ging ich nicht aufrecht, sondern taumelte eher vorwärts. Aber das ist das Entscheidende: Schritt für Schritt durch das Tal der Tränen weitergehen. Die Hindernisse verschwinden nicht, indem Sie stehen bleiben. Bei mir war das Leben mit Hindernissen sehr spendabel. Ich musste drüberklettern, sie überspringen oder sie durchbrechen. Trotz Angst, weitermachen. Egal wie – Hauptsache durch das Tal der Tränen kommen.

 

Wer fleißig ist, wird mit Glück belohnt

Anfangs suchte ich gierig nach der schnellen Lösung. Doch auf dem Weg lernte ich, mein Urvertrauen wieder zu gewinnen. Das Vertrauen, dass wir nicht alles immer steuern und kontrollieren können – sondern dass das Leben uns manchmal „von alleine“ den richtigen Weg weist. Indem der richtige Mensch, der richtige Gedanke, der richtige Moment plötzlich auftaucht und wir Kraft und Zuversicht gewinnen und gleich einen ganzen Satz nach vorne machen. Mir ist dieser Weg durch das Tal gelungen. Er war zwar nicht angenehm, aber rückblickend kann ich Ihnen sagen: Ich bin daran gewachsen. Und Sie werden das auch!

Im Prinzip haben Sie nur eine Wahl:

  • Wenn in Ihrem Leben alles super ist – und Sie im Status Quo einfach sitzen bleiben, verwandelt sich Ihr Paradies irgendwann von alleine in ein Tal der Tränen – oder etwas derber, dafür aber konkreter gesprochen: in einen Haufen Mist. Die Firma will Sie auf einmal loswerden. Ihr wichtigster Kunde kündigt und wechselt zum Wettbewerber. Ihrer vernachlässigten Beziehung geht die Glut verloren und Ihr Partner flieht in eine Affäre. Die Digitalisierung rationalisiert Ihren Arbeitsplatz weg. Veränderungen sind unaufhaltsam. Sie kommen. Auch zu Ihnen.
  • Wenn die Veränderungen schon zugeschlagen haben und Sie bereits im bildlichen Misthaufen sitzen, wo Sie alles ätzend und nervig finden oder es einfach nicht so läuft, wie Sie es gerne hätten, dann bleibt Ihnen nur der Aufbruch in die Veränderung. Doch der Weg zur Lösung führt Sie ins Ungewisse, wo jeder Schritt eine Veränderung, die unbekannte Folgen hat, bedeutet.

Kurzum: das Tal der Tränen gehört zum Lebensweg dazu. Also weichen Sie ihm nicht aus. Stellen Sie sich ihm!