Mut zum Glücklichsein

Glück wird oft als ultimatives Lebensziel gepredigt. Wer will dagegen auch rebellieren? Mir ist zumindest noch niemand begegnet, der nach dem Motto lebt: „Ich will unglücklich sein!“ Und doch halte ich Glück nicht für das ultimative Lebensziel.

Denn wenn Sie etwas in Ihrem Leben erreichen wollen, brauchen Sie eine gewisse Prise Unzufriedenheit. Unzufriedenheit sorgt für Handlungsdruck. Und Handlungsdruck brauchen Sie, damit Sie am Status Quo in Ihrem Leben etwas verändern.

Glück ist außerdem ein schwer greifbares Wort. Was ist Glück überhaupt? An dieser Frage doktern die Menschen schon seit Jahrhunderten rum — und haben immer noch keine allgemein gültige Antwort gefunden. Stattdessen wabert ein scheinbar magischer Mythos um diesen Begriff.

Und so habe ich mich für eine pragmatischere Lebensweisheit entschieden: Statt eines glücklichen Lebens, will ich mein eigenes, selbstbestimmtes Leben leben.

Der Mensch neigt zum Vergessen

Vor rund 15 Jahren hätte ich diese Lektion eigentlich schon gelernt und für immer verinnerlicht haben müssen. Damals hatte mich die Diagnose Krebs mental wachgerüttelt. Und die Erkenntnis wurde real: Auch mein Leben ist endlich.

Doch Menschen neigen dazu, zu vergessen. Und so musste ich mich dieses Jahr daran erinnern, dass mein Leben nicht nur beruflich Vollgas braucht, sondern vor allem einen Rhythmus. Ansonsten ist es plötzlich vorbei und man beendet das eigene Leben wie ein Schluck Wasser in der Kurve.

Und so habe ich es gewagt, mein berufliches Jahr 2019 bereits Mitte November zu beenden. Gar nicht so einfach. Das schlechte Gewissen meldet sich lautstark zu Wort. Aber in meinem Horizont steht ein Traum: Wieder nach Neuseeland reisen. Dort hatte ich damals studiert und wollte das Land unbedingt nochmal bereisen. Heute erfülle ich mir diesen Traum.

Mit meiner Frau reise ich per Rucksack durch Neuseeland. Wir sind nun bereits seit rund vier Wochen unterwegs und völlig rausgerissen aus unserem normalen Alltag. Heute habe ich mich hingesetzt und mich selber nochmal daran erinnert: Was macht eigentlich mein Leben zu meinem eigenen Leben?

Der PRAGMATISCHE WEG ZUM GLÜCK

Selbstbestimmung hat auf jeden Fall etwas Wertvolles. Menschen, die selbstbestimmt sind, zeigen Haltung. Verbiegen sich nicht, um anderen zu gefallen. Selbstbestimmung sorgt also für Ansehen und natürliche Autorität bei Freund und Feind.

Doch was die anderen denken, kann einem egal sein. Für viel wichtiger halte ich die Wirkung auf das eigene Wohlgefühl: Zu wissen, dass man selber immer mit Rückgrat in den Spiegel schauen kann, tut gut. Selbstbestimmt das eigene Leben zu leben sorgt also immer wieder für Glücksmomente.

Und plötzlich ist Glück für mich erstaunlich einfach greifbar. Es braucht kein Kloster, Guru oder lange Jahre zur Erleuchtung. Sie brauchen vielmehr den Mut, das zu machen, was Ihnen wichtig ist. Und wenn Sie das dann gemacht haben, haben Sie bereits Ihren nächsten persönlichen Glücksmoment gewonnen.

Diese einfache Erkenntnis geht im Alltag verdammt schnell unter. So ist es mir dieses Jahr beinahe auch ergangen. Denn mein Leben ist - genau wie Ihres - voller Action. Die Beratungsprojekte mit Familienunternehmen waren dieses Jahr fordernd, denn der Veränderungsdruck in der Wirtschaft ist hoch. Zusätzlich haben mich über 40 Vorträge viel durch die Gegend reisen lassen. Und zwischendurch habe ich mein zweites Buch zu Ende geschrieben. Im Herbst verdichten sich die Termine. Mein Oktober und November bestand aus einigen 7-Tage-Wochen. Und in diesem Tempo hätte ich bis Weihnachten weiter machen können.

Selbstbestimmt leben

Doch so weit ließ ich es diesmal nicht kommen. Und ich bin froh, dass ich den Mut hatte, meinem beruflichen Jahr ein vorzeitiges Ende zu bereiten. Ich kann meine Akkus laden, meinen Kopf frei machen, schöne Momente mit meiner Frau genießen und Kraft und Stärke für das neue Jahr sammeln. Heute regnet es an der neuseeländischen Küste und ich habe mich hingesetzt und meine Haltung zusammengefasst: Was macht für mich ein selbstbestimmtes Leben aus?

1) Wissen, wo ich hin will.

Sie können sich viele Fragen stellen. Doch eine ist die stärkste. Und sie ist die einzige Frage, die Sie für ein selbstbestimmtes Leben auch wirklich beantworten müssen: Wo wollen Sie hin? Sie brauchen einen Horizont, auf den Sie zustreben. Denn ein Mensch ohne Horizont taumelt richtungslos durchs Leben. Wenn Sie nicht nur Staub aufwirbeln, sondern am Ende Ihres Lebens sinnvolle Spuren hinterlassen haben wollen, dann seien Sie sich klar darüber: Wo wollen Sie hin?

2) Gegenwart machen!

Verschwenden Sie nicht zu viel Zeit mit Nachdenken, Planen oder Sorgen machen. Wenn Sie ehrlich zu sich sind, erkennen Sie: Viel zu oft sind das nur faule Ausreden, um nicht ins Tun zu kommen. Statt zu handeln, hängen Sie mit Ihren Gedanken mal in der Vergangenheit, mal in der Zukunft. Doch für alle Lebensbereiche gilt: Wenn Sie etwas im Leben erreichen wollen, müssen Sie dafür etwas tun. Und zwar im Hier und Jetzt. Ich nenne das: Gegenwart machen!

3) Auf die Unterstützer fokussieren.

Schmeißen Sie die negativen Menschen am besten aus Ihrem Leben. Nörgler, Neider und Zerstörer gibt es eine Menge. Wie Vampire saugen sie Ihnen und Ihren Vorhaben jegliche Lebenskraft aus den Adern. Verschwenden Sie Ihre Zeit nicht damit, diese Menschen zu Fans machen zu wollen. Die Gefahr ist groß, dass Sie sich verbiegen, faule Kompromisse machen oder Dinge tun, die Sie gar nicht machen wollen. Fokussieren Sie sich lieber auf Ihre Unterstützer. Hier gewinnen Sie positive Kraft und Umsetzungs-Power! Übrigens: Ein starker Unterstützer ist kein Honig-Ums-Maul-Schmierer, sondern ein Mensch, der sie fördert und vor allem auch fordert.

4) Konstruktiv unbequem sein.

Denken Sie an die Menschen, die Sie weiter gebracht haben. Wer waren sie? Diese Menschen hatten keine positive Wirkung auf Sie, indem diese Menschen Ihnen permanent den Kopf gestreichelt haben. Im Gegenteil: Es waren ihre konträren Meinungen. Ihr Mut, den Finger in Ihre Wunde zu legen und solange zu drücken, bis es weh tut — damit Sie wussten, wohin Sie schauen müssen. Wenn Sie anderen Menschen helfen wollen, seien Sie also konstruktiv unbequem. Nicht, um andere Menschen zu ärgern oder zu verletzen. Sondern um ihnen dabei zu helfen, besser zu werden.

5) vorweg gehen.

Wenn Sie etwas im Leben bewegen wollen, müssen Sie vorweg gehen. Als Anführer sind Sie nichts anderes als ein Künstler oder ein Original: Sie müssen Ihren eigenen Weg erschaffen. Und der wird meist erst klar, wenn Sie ihn gehen. Die Alternative: Sie folgen dem Mainstream und machen das, was populär ist. Doch dann sind Sie kein Anführer. Wollen Sie gar kein Anführer sein? Sollten Sie aber. Denn nur als Anführer gehen Sie den Weg zum selbstbestimmten Leben. Sie sind also mindestens Anführer für sich selbst. Wenn Sie das nicht wollen, landen Sie garantiert in einer Sackgasse, an deren Ende Ihr Glück wie ein Haufen Elend verkümmert.

6) Dem Schmerz stellen.

Wer glücklich und erfüllt leben will, muss bereit sein, sich auch dem Schmerz zu stellen. Nicht ständig. Sie brauchen kein Sadist, Masochist oder ähnliches werden. Doch erinnern Sie sich daran: Das Leben ist kein Ponyhof. Im Gegenteil: Wenn es darauf ankommt, kann das Leben hart sein. Manchmal auch ein richtiges Arschloch, das Ihnen ganz schön weh tut. Sie brauchen jetzt die Entschlusskraft, sich diesem Schmerz zu stellen. Den Mut, nicht auszuweichen. Sondern das zu tun, was jetzt zu tun ist.

7) Ballast abwerfen.

Etwas ist dann perfekt, wenn zwar noch viel hinzugefügt werden kann — jedoch nichts mehr weggenommen werden darf. Werfen Sie also Ballast ab. In allen Lebensbereichen: Finanziell, Materiell, Sozial, ... Wie viele Dinge müssen Sie besitzen? Brauchen Sie all die Statussymbole, Bücher, Krimskrams, ...? Wie viel Zeit verbringen Sie mit Ihrem Bekanntenkreis? Wer sind Ihre wahren Freunde? Bekommen diese ausreichend Zeit? Ist das eine Familienmitglied, das Sie immer wieder nervt, es wirklich „wert“, dass Sie immer noch Zeit mit ihm verbringen? Können Sie wirklich sieben Projekte parallel im Job abarbeiten — oder wäre es nicht wirkungsvoller, sich nur auf zwei zu beschränken? Hängt Ihr Wohlbefinden davon ab, was Sie haben oder erleben — oder können Sie den Genuss auch im Verzicht erleben? Und am Ende sogar einfach bedingungslos glücklich sein?

8) DEn Körper fit halten.

Ihr Körper ist das einzige Zuhause, aus dem Sie nicht umziehen können. Ich habe für mich definiert: Ich mache Sport, um von meinem Körper Energie zu bekommen. Wettkämpfe muss ich nicht mehr gewinnen. Auch brauche ich keinen gefährlichen Risikosport, um mich lebendig zu fühlen. Ich will meinen Körper einfach nur fit und in Bewegung halten. Ernährung ist für mich eine vorbeugende Medizin. Ich nenne das alles: Sportliche Wellness. Und sie gelingt mir immer öfters ;-)

9) viel Schlafen.

Als Student war ich von den vermeintlichen High Performance Menschen beeindruckt, die nach dem Motto lebten: „Ich brauche nur 4 Stunden Schlaf“. Ich halte das für Schwachsinn. Mein Körper und mein Kopf brauchen Schlaf, um gut zu funktionieren. Und zwar am liebsten acht Stunden. Ich gehe zu ähnlichen Zeiten ins Bett. Und stehe zur gleichen Zeit auf. Esse abends leicht. Trinke wenig bis keinen Alkohol. Jeden Tag. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel ;-)

10) Rhythmus finden.

Kein Mensch kann dauerhaft Spitzenleistung bringen. Tiere jagen und liegen danach stundenlang auf der faulen Haut. Ebbe und Flut wechseln sich ab. Genauso Tag und Nacht. Die Natur ist voller Rhythmen. Finden auch Sie Ihren Rhythmus. Geben Sie nicht nur Gas. Sondern finden Sie auch ausreichend Zeit für Pausen und Erholung. Für mich gibt es drei Arten der Pausen. Täglich: Zwischendurch immer mal wieder kurz inne halten, statt non-stop durchzuballern. Zwischendurch: Hier und da mal einen halben oder ganzen Tag, mal auch nur ein paar Stunden frei machen. Urlaub: Mindestens zwei Wochen am Stück, um auf völlig andere Gedanken zu kommen. Und vor allem, um zu reisen und dabei etwas zu erleben.

11) Den engsten Clan pflegen

Es macht nur Sinn, zu reden, wenn es auch jemanden gibt, der zuhört. Wir brauchen unseren Clan. Und vor allem: Unseren engsten Clan. Die Menschen, die wirklich wichtig sind. Konflikte sind nicht meine Leidenschaft, auch wenn sie beruflich notwendig und oft Teil meines Alltags sind. Doch grundsätzlich ist mir Harmonie im Miteinander sehr wichtig. Und in meinem engsten Clan ist sie mir besonders wichtig. So haben meine Frau und ich zum Beispiel vereinbart, dass wir mit ungelösten Konflikten nicht ins Bett gehen. In meiner Arbeit erlebe ich, wie viel Zeit und Mühe die Menschen in ihre beruflichen Beziehungen investieren. Und dann leider völlig vernachlässigen, sich um die Menschen zu kümmern, die am Ende um ihr eigenes Sterbebett stehen… wenn sie nicht vorher vor lauter Vernachlässigung abgehauen sind.

12) Will ich die gemachten Änderungen speichern?

In Computerspielen, Word oder Excel werden wir beim Beenden gefragt: Wollen Sie die Änderungen speichern? Wie sieht es mit Ihrem Leben aus? Angenommen heute endet Ihr Leben abrupt. Auf dem Weg ins Jenseits werden Sie mit Ihrem bisherigen Weg konfrontiert und gefragt: Wollen Sie die gemachten Änderungen wirklich speichern? Was würden Sie heute antworten? Und Sie haben Glück, denn Sie leben noch. Also: Was müssen Sie heute unbedingt noch erledigen oder ändern, damit Sie die Frage mit „Ja, ich will unbedingt speichern“ beantworten?

All diese Fragen sind simpel — und Sie werden sie sich in dieser oder ähnlicher Form bereits stellen. Doch es geht nicht um die Fragen, sondern um Ihre Antworten. Diese zu finden, ist schon schwieriger. Und es ist erst recht eine Herausforderung, die gefundenen Antworten auch konsequent im Alltag zu leben. Mir helfen diese Fragen, um mich auf Spur zu halten und mich an die Essenz zu erinnern, damit ich am Ende sagen kann: Ich hatte den Mut, mein eigenes Leben zu leben.

Welche Fragen stellen Sie sich?

Welche Antworten geben Sie darauf?

Wie gut leben Sie das, was Sie sich selbst predigen?

Eines noch...
Das Stärkste,
was Sie tun können, ist:

Gegenwart machen!
Für und mit den Menschen.

Weitere Videos sowie meine Serie #CappuccinoFriday finden Sie auf meinem YouTube-Kanal.