Skalieren ist langweilig

Was nicht wächst, stirbt. Wir leben in einer Zeit des Hyper-Wachstums. Geschäftsmodelle müssen weltweit innerhalb von 100 Tagen skalierbar sein, um Milliarden-Phantasien bei den Investoren zu wecken. Auf den Social Media-Plattformen werden wie wild Follower und Likes gesammelt – und wenn es nicht reicht, einfach gekauft. Und selbst unsere privaten Beziehungen scheinen im Zeitalter von Facebook, Tinder & Co. eher einem Wühltisch im Kaufhaus zu gleichen: was nicht mehr gefällt, wird einfach weggeworfen und durch Neues ersetzt. Doch diese Gier nach Masse macht unsere Welt grau und langweilig.

Der Turbokapitalismus mit seiner blinden Wachstumswut braucht schnelle Resultate. Dazu werden immer wieder neue Methoden entwickelt, um seine (unsere) Gier zu befriedigen. Moderne Marketing- und Positionierungs-Gurus empfehlen, den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. So wird überlegt, was der Kunde will – und wie man das schnellstmöglich skalieren kann. Daraus werden dann die neuen Angebote entwickelt. Heraus kommt: Mainstream. Auf Deutsch: Einheitsbrei.

Als ich vor vielen Jahren das erste Mal in Breslau war, hatte die Stadt ihren eigenen Charakter. Dann strömte die Modernisierung durch die Straßen und machte Breslau „normal“. Per „Copy & Paste“ pflasterten westliche Ketten die Stadt mit ihren Filialen zu. IKEA, Rossmann, Carrefour & Co. prägen heute das Stadtbild. Die Galeria Dominikanska ist eines der ersten Shoppingcenter in Breslau gewesen. Betreiber ist die Firma ECE. Sie betreibt auch Shopping-Center in Deutschland. Und so erinnert mich die Galeria Dominikanska an das Rhein-Center in Köln. Nicht nur die Geschäfte sind die gleichen. Selbst die Schilder sehen gleich aus. Nur die Sprache ist noch originell ...

Der Einheitsbrei begegnet mir auch in der Automobilbranche: der BMW X4 sieht von hinten aus wie der Mercedes GLC. Wo bleibt der Mut, Andersartigkeit zu wagen?

Schauen wir noch in ein paar Social Media Profile, dann wütet auch hier der Mainstream: alle scheinen hübsch, erfolgreich und glücklich zu sein. Merkwürdig, dass die Statistik in der Realität so viele Fälle von Fettleibigkeit, Burn-Out und Scheidungen meldet.

Mainstream ist flüchtig

Doch warum wollen wir überhaupt skalieren und in der Folge Mainstream verbreiten? Mindestens zwei Treiber machen uns zu Getriebenen.

Zum einen: die Gier. Möglichst schnell, möglichst viel verdienen. Einst wurden die Private Equity Fonds als „Heuschrecken“ bezeichnet. Dabei passt diese Bezeichnung sicherlich auch noch auf zahlreiche weitere Branchen, Unternehmen und sicherlich auch einzelne Menschen.

Zum anderen: die Angst. In unserer westlichen Welt sind die Märkte gesättigt. Wer wachsen will, muss einem anderen etwas wegnehmen. Es geht um Leben und Tod. Um die Angst zu beschwichtigen, wachsen wir einfach wie verrückt. Am Ende gilt: „too big to fail“ (zu groß, um zu scheitern). Oder man kann endlich die Trumpfkarte ziehen: Systemrelevant.

Doch wenn Sie sich dem Mainstream anpassen und alles auf Wachstum setzen, gewinnen Sie bestenfalls Scheinsicherheit.

Denn haben Sie einmal einen Trend gefunden, kann er genauso schnell wieder verschwinden. Trends sind heutzutage flüchtig. Genau wie Kunden. Ich habe fast den Eindruck: Je digitaler die Welt und je größer das Angebot an Alternativen, desto schneller wechseln die Kunden. Wie die Bienen fliegen sie von einer Blüte zur nächsten.

Eines verlieren Sie jedoch garantiert, wenn Sie bei der Einheitspanscherei mitmachen: nämlich das, was Ihr Unternehmen ausmacht. Den Charakter. Das Wesen. Die Seele Ihres Unternehmens. Kurzum: das, weswegen ein Kunde zum echten Fan werden könnte.

Machen Sie sich selber zur Beute

Wenn Sie nicht zu den Jägern und Getriebenen gehören wollen, machen Sie sich zum Gejagten. Werden Sie zur Beute. Doch dafür müssen Sie sichtbar werden.

Hören Sie also mit dem Mainstream und Einheitsbrei auf. Hören Sie stattdessen auf das, was aus Ihnen herauskommt. Was macht Ihr Unternehmen aus? Wofür stehen Sie? Und wofür stehen Sie ein? An was für einer (Zukunfts-) Welt bauen Sie mit Ihrem Angebot? Auf welchen Horizont streben Sie zu?

Dadurch haben Sie eine Geschichte zu erzählen. Durch sie werden Sie einzigartig. Unique. Unverwechselbar.

Mut zur Unsicherheit

Dieser Weg sieht erstmal unsicher aus. Deswegen erfordert er eine gewisse Portion Mut. Mut, etwas Neues zu wagen. Mut, keinen Konventionen zu folgen. Mut, den eigenen Weg zu gehen.

Doch diese Unsicherheit ist eigentlich eine „unsicherere Sicherheit“.

Unsicher, weil Sie nicht wissen, wann und ob Kunden Sie finden. Und wenn Sie gefunden werden, für wie viele Kunden Sie dann eine attraktive Beute sind.

Sicher, weil Sie sich so treu bleiben. Ihren eigenen Stil entwickeln. Das ist eine Strategie, die kann niemand per „copy & paste“ nachmachen.

Skalieren Sie in Ihrer relevanten Welt

Wenn Sie den Mut haben, Ihr Unternehmen einzigartig zu machen, schaffen Sie eine neue Sicht auf den Markt. Sie schaffen sich eine relevante Welt.

Sie besteht dann aus den richtigen Kunden. Den richtigen Mitarbeitern. Den richtigen Presse-Kontakten. Den richtigen Investoren. Nämlich aus den Menschen, die zu Ihnen passen. Die Ihnen helfen wollen, dass Sie erfolgreich in Richtung Ihres Horizonts marschieren. Dass Sie die Gegenwart gestalten, die Sie in Ihrer Geschichte erzählen.

Machen wir es mal simpel: ich muss nicht der beste Ehemann der Welt werden. Aber in meiner relevanten Welt, also für meine Frau, will ich der beste Ehemann für sie sein, der ich werden kann.

Mit dieser Haltung und dem Mut, sich auf die relevante Welt zu konzentrieren, werden Sie mit Sicherheit nicht den Mainstream gewinnen. Im Gegenteil: Ihre Klarheit wird dafür sorgen, dass der Mainstream Sie ablehnt. Zum Glück! Denn so haben Sie die Chance, mit den Kunden, Mitarbeitern, Menschen, die zu Ihnen passen, etwas Großartiges zu gestalten.

 

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Viel zu oft, fehlt uns das Vertrauen, wenn wir eine Entscheidung treffen. Statt mutig voranzugehen, fangen wir an, faule Kompromisse zu machen. Versuchen, durch Einheitsbrei den Mainstream zu gewinnen. Anstatt auf unsere Innere Stimme zu hören und auf den Horizont zuzuschreiten, der uns anzieht. Lassen Sie uns Gegenwart machen!

Weitere Videos sowie meine Serie #CappuccinoFriday finden Sie auf meinem YouTube-Kanal.