Zukunft trotz Ungewissheit aktiv gestalten

Zukunft trotz Ungewissheit aktiv gestalten

Die letzen Jahrzehnte waren einfach. Denn es gab nur eine Richtung: höher, schnell, weiter. Doch Klimawandel und Covid-19 machen für viele Unternehmen sehr deutlich, dass der bisherige Weg so nicht weiterführt. Ängstlich treten viele auf die Management-Bremse; aber vom Kostensenken alleine werden Sie die Turbulenzen nicht überleben. Es braucht mutige Anführer, die bereit sind, trotz Nebel aufzubrechen. Die ein attraktives Bild der Zukunft haben, für das es sich lohnt, aufzubrechen. Wie kann das gelingen?

Die Firma PIEL ist ein technischer Großhändler aus Soest. Inhabergeführt. Vierte Generation. Die Branche ist sehr fragmentiert. Einige Wettbewerber halten nur noch mit, indem sie durch Preiskämpfe um Aufträge buhlen. Die Zukunft schreit also förmlich nach Konsolidierung, wie wir es in anderen Branchen bereits erlebten und aktuell erleben.

Den drei Inhabern der PIEL Gruppe ist klar: Preiskämpfe sind auf Dauer keine Lösung, denn sie sind für alle Beteiligten eine Todesspirale. In über 100 Jahren Firmengeschichte hat das Unternehmen immer wieder bewiesen, dass begeisterter Kundenfokus und sinnvolle Innovation echten Mehrwert bieten, für den Kunden auch gerne bereit sind zu bezahlen.

Mario Ernst ist einer der drei Gesellschafter. Er hat mich während einer Verbandstagung des VTH (Verband Technischer Handel) erlebt, als ich dort die Abschlussrede hielt. Wir sprachen danach im Foyer miteinander: „Sie passen gut zu uns und können uns bei der bevorstehenden Neuausrichtung bestimmt super unterstützen. Sie müssten nur meinen Kompagnon überzeugen. Der ist nämlich von Beratern nicht so ganz überzeugt.“

Der Wunsch nach Vorhersehbarkeit

Ein paar Wochen später. Wir sitzen zu Viert im Konferenzraum. Workshop zur Zieldefinition mit den drei Gesellschaftern und mir. Was wird sich durch unsere Zusammenarbeit nach 12 Monaten im Unternehmen konkret geändert haben? Schnell werden sich die drei einig, wohin die Reise gehen soll: Eine gemeinsame Richtung formulieren, die allen Mitarbeitern an allen Standorten Orientierung gibt, um auch in Zukunft einen führenden Anspruch in der Branche zu haben.

Eine Woche später telefonieren wir und sprechen übers Angebot. Grundsätzlich sind wir uns einig. Auch der kritische Kompagnon hat seine Skepsis abgelegt. Doch in einem Detail hadern die drei noch. Denn sie möchten es gerne ganz genau wissen: „Wie konkret gehen wir vor? Was sind die Meilensteine und Projektschritte? Wir brauchen einen Plan.“

Ich entgegne ihnen: „Ihren Wunsch kann ich gut nachvollziehen. Die meisten Kunden wollen diese Sicherheit, wie genau der Weg aussieht. Am liebsten vor Beginn der Reise. Doch diese Sicherheit gibt es nicht. Pläne und Meilensteine suggerieren nur Scheinsicherheit. Die Zukunft ist nicht vorhersehbar. Sie muss gestaltet werden. Und dazu braucht es keine treue “Dienst nach Vorschrift”-Mentalität, die sich ängstlich an Pläne klammert. Sondern Vortrieb. Entscheidend ist, dass wir Ihren Horizont im Blick halten und vorwärts gehen. Flexibel auf neue Erkenntnisse reagieren. Vortrieb und Beute sind am Ende wichtiger als Regeltreue und die Frage, ob wir uns an den Plan gehalten haben.”

„Aber wie sollen wir denn wissen, ob wir mit Ihnen die gesteckten Ziele auch erreichen?“ bohrt einer der Gesellschafter weiter.

Vertrauen ist die stärkste Sicherheit

„Da hilft Ihnen kein Plan, sondern nur eines: nämlich Vertrauen”, antworte ich ihm.

Aber was ist Vertrauen? Vertrauen ist Ihre Entscheidung, das Risiko einzugehen, auch enttäuscht oder verletzt zu werden. Ohne Vertrauen können Menschen nichts gemeinsam gestalten. Vertrauen ist die Beschleunigung für gemeinsame Ergebnisse. Ob es zwei Fremde sind, die gemeinsam Geschäfte machen. Oder zwei Menschen, die sich auf dem Standesamt das Ja-Wort geben. Vertrauen ermöglicht es uns Menschen, miteinander zu kooperieren — und zwar egal, ob wir uns bereits viele Jahre kennen oder gerade erst getroffen haben.

“Im letzten Workshop haben wir gemeinsam definiert, was sich in 12 Monaten konkret verändert haben soll. Wir haben Kriterien formuliert, anhand derer wir gemeinsam den Fortschritt unserer Arbeit messen. Ich bin kein Bürokrat, der mit ihnen stoisch einen Projektplan abarbeitet oder pauschal die „7 Schritte zum Erfolg“-Methode über jedes Unternehmen stülpt. Sie können sich darauf verlassen, dass wir mit Augenmaß ausschließlich das unternehmen, was uns möglichst zügig zur Beute führt. Wenn es eine Abkürzung gibt, nehmen wir sie. Deswegen bezahlen Sie auch einen Festpreis — für die Wirkung, und nicht dafür, wie viel Zeit wir damit verbringen, nur um uns künstlich beschäftigt zu halten.“

Lebenszeit ist knapp

Gesagt, getan. Es folgten keine Power-Point-Schlachten. Stattdessen machten wir das, was uns Menschen über 300.000 Jahre hat erfolgreich sein lassen: Wir verhielten uns wie moderne Nomaden.

Vortrag beim Jahresauftakt der Firma PIEL

Dazu haben wir mit dem Projektteam, dem PIEL Lenkungszirkel, erstmal die stärkste Frage beantwortet, die ein Mensch stellen kann: Wo wollen wir überhaupt hin? Die Teilnehmer waren überrascht, dass wir im ersten Workshop dazu gar nicht über das Unternehmen sprachen, sondern über sie als Menschen.

“Sie verbringen so viel Ihrer kostbaren Lebenszeit mit Ihrem Job — da ist es hilfreich, wenn Sie zunächst mal klären, wo Sie als Mensch überhaupt hinwollen. Und dann hoffe ich, dass Sie eine Schnittmenge zwischen Ihrem persönlichen Horizont und dem der Firma PIEL entdecken.”

Große Erfolge entstehen, wenn Menschen mit Herzblut bei der Sache sind. Und das klappt nur, wenn wir Menschen nicht wie Zitronen auspressen, sondern sie als Menschen respektieren. Wirtschaft muss dem Menschen dienen; nicht umgekehrt.

Führung durch die Ungewissheit

Nachdem die persönlichen Horizonte in einer ersten Version greifbar waren, machten wir uns an den Horizont für das Unternehmen. Der Horizont ist das A und O für jeden modernen Nomaden. Ohne ihn, brauchen Sie erst gar nicht aufbrechen. Denn ohne Horizont laufen Sie richtungslos durch die Gegend. Blinder Aktionismus und Input-Virus halten Sie dann zwar unglaublich beschäftigt. Aber Sie sind nicht wirkungsvoll.

Das Gute ist: Wenn die Richtung, der Horizont, einmal klar ist, dann zählt für Sie im Alltag vor allem eines: Gegenwart machen. Und dazu brauchen Sie nur zwei Fähigkeiten, in denen Sie verdammt gut sein sollten:

  • Wahr-nehmen, was ist.

  • Wahr-machen, was jetzt sein soll.

Und so ist aus der anfangs zögerlichen Zusammenarbeit mittlerweile eine jahrelange, vertrauensvolle Partnerschaft geworden. Der gemeinsame Horizont für die Firma steht. Aus einer Vielzahl von Optionen und Themen haben wir die wesentlichen Punkte ausgewählt. Das Team hat diese in Form einer Pyramide visualisiert: sozusagen der Fixstern am PIEL Horizont. Er erinnert daran, was für die Zukunft bereits heute zählt:

Die PIEL Pyramide steht in meinem Konferenzraum. Neben Symbolen von anderen Unternehmen, die alle schöne Erinnerungen an tolle Projekte sind.

Die PIEL Pyramide steht in meinem Konferenzraum. Neben Symbolen von anderen Unternehmen, die alle schöne Erinnerungen an tolle Projekte sind.

  • Bewährtes stärken. Neues wagen!

  • Kundenbegeisterung

  • Wir sind PIELaner!

Der PIEL Fixstern ist heute überall dabei: Ob Teambesprechung, Kundenakquise oder Einstellungsgespräch. Er steht sogar mit den Symbolen aus anderen Projekten in meinem Konferenzraum. Denn der PIEL Lenkungszirkel hat — getreu dem Leitspruch “Einfach. Besser. Machen.” — die Pyramide einfach auf glänzendem Papier drucken lassen. Digital reicht nämlich nicht überall. Manchmal muss es haptisch, echt, einfach greifbar sein.

Anhand dieser kleinen Pyramide machen die Mitarbeiter bei PIEL jeden Tag Gegenwart. Schritt für Schritt auf den Horizont zu. Um dadurch — trotz der aktuell widrigen Nebel um uns — die Zukunft so zu gestalten, wie sie sein soll. Denn sich einfach nur passiv an die Rahmenbedingungen anzupassen, ist zu wenig. Unternehmen mit Führungsanspruch sehen zu, dass sie ihre Vorstellungen von der Zukunft aktiv umsetzen.

Weicher Kram sorgt für Gewinn

Eine Sache finde ich bei der Firma PIEL bemerkenswert: es ist das einzige Unternehmen, das ich kenne, das für seine Mitarbeiter einen eigenen Namen hat: PIELaner.

Spätestens seit den Betrugsaffären rund um Volkswagen und Wirecard hat jeder verstanden, dass der “weiche Kram” (Unternehmenskultur, Werte, Verhaltensweisen) entscheidende Auswirkungen auf die harten Fakten (Umsatz, Gewinn) hat.

Das war den Gesellschaftern der Firma PIEL schon lange klar. Gewinn machen um jeden Preis, war nie ihr Ding. Die Art und Weise, wie mit Kunden, Zulieferern und Mitarbeitern umgegangen wird, ist genauso wichtig. Deswegen arbeiten wir in einem neuen Projekt daran, diese PIELaner Kultur zu stärken und auf die neuen Herausforderungen unserer Zeit anzupassen.

Mittlerweile haben sich die drei Gesellschafter (und auch ihr Lenkungszirkel) daran gewöhnt, dass wir keine umfangreichen Projektpläne schmieden. Sondern passend zum Unternehmensmotto „Einfach. Besser. Machen.“ gemeinsam Gegenwart und Beute machen. Denn diese Haltung ist die beste, um auch in ungewissen Zeiten für ein sicheres Fortkommen zu sorgen.


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