Unternehmen sind keine Familien – und genau das ist gut so.
Unternehmen sind keine Familien – und genau das ist gut so.
Die schwächelnde Konjunktur wirkt wie ein Weckruf. Sie zeigt ungeschminkt: Unternehmen sind Zweckgemeinschaften. Keine Freundeskreise. Und erst recht keine Familien. Wer anderes behauptet, verklärt die Realität.
Arbeitsbeziehungen sind Verträge – nicht Gefühle.
In Familien oder Freundschaften braucht es keinen Vertrag, um dazuzugehören. So wie Sie sind, sind Sie gut genug. Von Ihren Liebsten werden Sie bedingungslos geliebt. Und ein echter Freund kennt all Ihre Facetten; und mag Sie trotzdem.
Arbeitsbeziehungen dagegen sind zweckgebunden. Der Zweck ist nicht, gemeinsam Tischkicker zu spielen, von Corporate Benefits zu profitieren oder bei Firmenläufen teilzunehmen, sondern Leistung gegen Geld zu tauschen. Der Arbeitsvertrag bildet dafür die Grundlage. Wer Wert stiftet, bleibt. Wer das nicht mehr kann oder will, muss gehen. Die Massenkündigungen der letzten Monate führen uns diese Wahrheit schmerzhaft vor Augen.
Zu viel Kuschelkultur killt Klartext.
In vielen Unternehmen wurde Empathie zur Leitwährung erklärt. Doch Über-Empathie führt zu Sprachlosigkeit. Entscheidungen werden vertagt. Kritik wird weichgespült. Probleme werden in Worthülsen verpackt: „Man müsste…“oder „Lass uns nochmal sprechen…“. Am Ende bleibt alles beim Alten.
Das Resultat: Dünnhäutigkeit ersetzt Streitkultur. Wer Klartext redet, gilt als unbequem. Wer Leistung einfordert, als kalt. Das eigentliche Problem sind nicht die Mutigen, die Missstände benennen, sondern die Empfindlichen, die jede Kritik als persönlichen Angriff interpretieren. Diese Menschen hören immer das, was sie hören wollen. Ständig fühlt sich irgendjemand nicht wertgeschätzt, emotional verletzt oder gar diskriminiert.
Warum reagieren diese Menschen so empfindlich? In der Praxis erlebe ich häufig, dass es ihnen an mentaler Stärke, gesundem Selbstwert und der Fähigkeit, auch unter Druck einen kühlen Kopf zu bewahren, mangelt. Diese Menschen haben oft ein so dünnes Fell, dass selbst das Wort „Problem“ bereits zu hart für sie ist.
Deswegen lautet die Devise in vielen Unternehmen: Bloß nicht anecken. Bloß nicht unbequem werden.
Führung ohne Haltung ist Gift.
Das dünne Fell und die Konfliktscheue ist jedoch nicht nur ein Mitarbeiter-Problem. Ich erlebe solche Verhaltensweisen und Einstellungen auch in den obersten Führungsetagen der Unternehmen. Das hat schmerzhafte Konsequenzen.
Wenn Manager ungeeignete Fachkräfte zu Führungskräften machen, die weder führen können noch wollen, nur um sie zu halten, zahlen am Ende die Teams den Preis.
Wenn Low-Performer jahrelang mitgeschleppt werden, müssen die Engagierten die Inkonsequenz ausbaden und deren Defizite kompensieren.
Wenn Reorganisationen aus Angst vor Konflikten verschleppt werden, erstickt das Unternehmen an Chaos und Reibungsverlusten. Die vielen Sondersituationen sind im Einzelfall alle nachvollziehbar; sorgen jedoch in Summe für Kopfschütteln in der Belegschaft.
Selbst das Zusammenspiel in den Führungsetagen ist vielerorts ein Trauerspiel. Vorstände hoffen, dass aus drei starken Egos automatisch ein funktionierendes Team wird. Das ist jedoch nicht so. Wer Führungsteams formen will, muss Arbeit reinstecken, um die Zusammenarbeit zu fördern. Stattdessen erlebe ich in der Praxis, dass Konflikte nicht offen adressiert werden; die Top-Führungskräfte spielen sie lieber durch die Hintertür. Jeder verfolgt seine eigenen Interessen; das Ich kommt vor dem Wir. Und wenn dann noch unterschiedliche Werte und Stile aufeinandertreffen, ist die tickende Zeitbombe perfekt. Das Ergebnis: dysfunktionale Führungsspitze ohne Schlagkraft.
Der „weiche Kram“ entscheidet über harte Ergebnisse.
Es zeigt sich immer wieder: Strategie, Kosten, Prozesse – alles wichtig. Aber ohne gegenseitiges Vertrauen und Respekt, Offenheit und Herzblut läuft nichts. Zahlen allein führen keine Menschen. Und Teams, die nur mit politisch-korrekten Worthülsen motiviert werden, liefern keine Spitzenleistung.
Heißt das, wir brauchen statt Über-Empathisierung nun raue Verhältnisse wie auf einer Galeere? Natürlich nicht. Statt von einem Extrem ins andere zu rutschen, bleiben wir doch einfach mal bei Maß und Mitte.
Drei Prinzipien sind entscheidend:
Erfolg wollen. Leistung ist keine Körperverletzung, aber manchmal unbequem. Doch ohne Leistung gibt es keinen Fortschritt und wir drohen, im scharfen Wettbewerb unterzugehen.
Streiten lernen. Hart in der Sache, fair zu Menschen. Nur wer Klartext zulässt, schafft Klarheit. Streitkultur heißt, um die besten Ideen und Lösungen zu ringen. Mund aufmachen. Zuhören. Verstehen wollen. Dazu gehört auch, dass wir nicht gleich resigniert den Kopf senken, nur weil der Chef oder ein dominanter Kollege anderer Meinung ist.
Weichen Kram ernst nehmen. Wenn Strategien umgesetzt und Menschen Spitzenleistung bringen sollen, braucht es Teamspirit, Vertrauen und Offenheit.
Spitzenleistung ist kein Hexenwerk. Aber sie verlangt Klarheit, Haltung und vor allen Dingen harte Arbeit. Also Workshops für Team-Entwicklung? Dann lautet die Antwort häufig: „Keine Zeit, kein Budget, keine Nerven!“
Falsch gedacht: Wer glaubt, performante Teams und Spitzenleistung entstehen von alleine, wenn man Menschen in einen Raum setzt, ist naiv. Sie müssen schon etwas dafür tun. Kultivieren Sie Klartext, lassen Sie Streit zu und führen Sie die Menschen; dann haben Sie auch in Zeiten des scharfen Wandels eine Chance auf Erfolg.
Die Frage ist nicht, ob Spitzenleistung möglich ist. Sie lautet: Wollen wir sie überhaupt – oder begnügen wir uns mit Mittelmaß?