Was will ich?

Was will ich? Eine besondere Form der Verantwortung.

Jeder von uns muss Entscheidungen in seinem Leben treffen. Dabei haben wir oft die Wahl. Und es stellt sich die Frage: «Was will ich denn überhaupt?» Eine auf den ersten Blick einfache Frage, die aber gar nicht so einfach zu beantworten ist. Besonders brisant wird sie, wenn ein Familienunternehmen den Generationswechsel anstrebt und die junge Generation sich dieser Frage stellen muss.

In vielen Fällen sind diese Menschen finanziell frei. Müssten also in ihrem Leben nicht mehr arbeiten, um das Brot Zuhause auf den Tisch zu stellen. Umso mehr drängt sich die Frage auf: «Was will ich eigentlich wirklich

Ein Unternehmen und ein Vermögen zu erben, ist ein Geschenk des Zufalls. Doch Eigentum verpflichtet. Gibt es vielleicht ein Pflichtbewusstsein, für das Familienunternehmen arbeiten zu «müssen», da alles andere einem Verrat gleichkäme? Was ist, wenn man die Unternehmensleitung in fremde Hände gibt und sich das als Fehler herausstellt? Was, wenn man selber die Verantwortung trägt und das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten führt? Und überhaupt: Was denken meine Eltern über mich, wenn ich mir solche Fragen stelle?

Doch lassen Sie sich von Zweifeln wie diesen nicht aufhalten. Übernehmen Sie Verantwortung und sorgen Sie für Klarheit und Sinn in Ihrem Leben. Denn wenn Sie es nicht tun, laufen Sie den Erwartungen anderer hinterher. Und das ist mit Sicherheit die Abkürzung ins Un-Glück. 

«Was will ich eigentlich wirklich?» bietet Ihnen gleich mehrere Ebenen, auf denen Sie Ihrer Lebens-Verantwortung gerecht werden können.

1.) Was will ich eigentlich wirklich?

Egoismus gilt als verpönt. Doch lassen Sie sich davon nicht beirren. Denn ein gesunder Egoismus ist notwendig, wenn Sie selbstbestimmt leben wollen. Selbstbestimmung setzt voraus, dass Sie sich selbst in den Mittelpunkt stellen.

Das bedeutet ja nicht, dass Sie dabei nicht an andere denken. Im Gegenteil: Wenn Sie sich die Frage stellen, womit Sie Ihre Lebenszeit sinnvoll verbringen wollen — macht es vielleicht gerade Sinn, darüber nachzudenken, welche guten Spuren Sie bei anderen hinterlassen wollen. Der gesunde Egoismus führt Sie so automatisch auf einen sinnvollen Weg, der auch gut für andere ist.

Wenn dagegen nicht Sie selbst, sondern nur die Interessen und Erwartungen anderer im Mittelpunkt stehen, ist die Gefahr groß, dass Sie sich verbiegen. Ehepartner, Kinder, Eltern, Verwandte, Freunde, Nachbarn, Gesellschaft, … alle wollen etwas von Ihnen. Entspannen Sie sich: Recht machen können Sie es nie allen. Heißt: Die Menschen zerreißen sich sowieso ihr Mundwerk über Sie. Lassen Sie die Leute also reden. Und kümmern Sie sich weiter um Ihre selbstbestimmte Klarheit.

2.) Was will ich eigentlich wirklich?

Die meisten Menschen auf der Erde sind in den festen Händen von Gesellschaft und Lebensumständen, in die sie hineingeboren wurden.

Wenn Sie in den Slums einer Millionenmetropole in Armut jeden Tag ums Überleben kämpfen, werden Sie wahrscheinlich eher nicht an einer schicken Uni studieren oder sich bei einem Latte Macchiato mit Hafermilch darüber den Kopf zerbrechen, wie Diversität und Umweltschutz in einer postmodernen Gesellschaft gelingen.

Der freie Wille ist also auch ein Produkt der Umstände und Notwendigkeiten, die Ihr Leben prägen. Ihn zu finden, ist jedes Mal eine Herausforderung.

Befehl und Gehorsam

Ein Student hat eines meiner Bücher gelesen und sendet mir eine Initiativbewerbung für ein Praktikum. Ich suche zwar aktuell niemanden für unser Team, aber mir gefällt, was er mir geschrieben hat. Also verabreden wir uns zum Telefonieren.

«Jetzt wissen Sie also, wo wir hinwollen. Wir sind ein kleines, effizientes Büro-Team. Hier liegt keine Arbeit rum, die wir Ihnen geben können. Aber wenn Sie mir sagen, welche Ideen Sie haben, um mich auf unserer Reise zu unterstützen, können wir dazu gerne ein Praktikum bauen.»

Der Student antwortet: «Das ist aber ganz schön schwer, die eigene Arbeit zu erfinden. Normalerweise bekomme ich in den Unternehmen gesagt, was ich tun soll.«

Wer will schon in einer Welt leben, die geprägt ist von Befehl und Gehorsam? Die Alternative dazu lautet: selber denken. Und warum sollte es Ihnen einfacher fallen als dem Studenten, herauszufinden, was Sie wollen oder tun sollen?

Klarheit fällt nicht vom Himmel. Sie müssen schon etwas dafür tun, um sie zu finden: Zeit nehmen. Nachdenken. Sich geistige Reibungsfläche suchen. Persönlich und gedanklich reifen. Den Mut haben, sich selbst zu begegnen.

3.) Was will ich eigentlich wirklich?

Wir erleben zunehmend eine Sinn-Leere. Im Lärm einer dauerempörten Gesellschaft wird es immer schwieriger, die eigenen Antworten zu finden: Wo will ich hin?

Schnell kleben fremde Anhaftungen an Ihnen. Sie übernehmen fremdes Gedankengut. Meinungen. Haltungen. Ohne zu überprüfen, ob diese Ihnen auch wirklich entsprechen.

Einfaches Beispiel: Gendersprache. Eine lautstarke Minderheit hat sich auf einen moralisierenden Kreuzzug gemacht, der Gesellschaft vorzuschreiben, wie Sprache zu verwenden sei. Dass die Mehrheit jene Gendersprache ablehnt, interessiert nicht. Unternehmen, der öffentlich-rechtliche Rundfunk und zunehmend sogar staatliche Institutionen stimmen trotzdem in die politisierte Verkomplizierung unserer Sprache ein. Aber die breite Masse bleibt still. Statt den Mut zur Haltung zu zeigen, lassen sich Einzelne sogar zu etwas anstiften, was sie eigentlich gar nicht machen wollen.

Wir sind das Produkt von Gesellschaft und Lebensumständen. Übernehmen geistige Haltungen, Wertvorstellungen und Meinungen von den Menschen, die uns prägen — anstatt auf unsere eigene, innere Stimme zu hören.

Sie können sich das vorstellen wie eine Flasche Wasser. Das Wasser ist Ihre innere Stimme. Außen auf die Flasche werden Aufkleber geklebt. Das sind die Prägungen Ihres Umfelds. Anhaftungen. Sie trüben Ihren klaren, reinen Blick nach draußen in die Welt. Die Herausforderung ist: Schnell nehmen wir die Sicht durch die Anhaftungen als unsere eigene Perspektive wahr — anstatt zu lernen, die Anhaftungen loszuwerden und die Klarheit des Wassers als unsere eigene Haltung kennenzulernen.

Um der Sinn-Leere zu entkommen, werden Sie natürlich keine «einzig wahre» Wahrheit finden. Sie können sich nur entscheiden: entweder fremde subjektive Wahrheit — oder Ihre eigene subjektive Wahrheit. In letzterem Fall müssen Sie dazu die Anhaftungen abziehen.

Ihnen bleibt also nur die Eigenverantwortung, um zu entdecken, was Sie wirklich wollen. Finden oder formen Sie Ihre eigene Sinn-Lehre, mit der Sie lernen, Ihrem Leben die Bedeutung zu geben, die Sie sich wünschen. Bleiben Sie dabei offen, damit Sie nicht fanatisch an Ihren Standpunkten kleben bleiben. Das Leben ist und bleibt ein Weg des Lernens und Hinterfragens.

Wie Ihr weiterer Weg dann aussieht — im oder außerhalb des Familienunternehmens, in welcher Rolle, für welches große Thema, mit welchen Verbündeten — wird sich zeigen, wenn Sie aufbrechen. Gehen Sie einen Schritt nach dem anderen. Doch am Anfang steht erstmal Ihre Klarheit. Denn Klarheit gibt Kraft! Und die werden Sie immer wieder brauchen, um den Herausforderungen des selbstbestimmten Lebens zu begegnen.


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